Die vorletzte Folge von „Moon Knight“ war heftig. Bevor wir uns den altägyptischen Hintergründen der Serie zuwenden, noch ein paar Worte vorweg.

Triggerwarnungen / Content Notes
Folge 5 von „Moon Knight“ hätte definitiv Triggerwarnungen gebraucht, denn was kamen nicht alles an möglicherweise belastenden Themen auf: Geschwistertod, Gewalt (physisch und psychisch) durch Elternteil, Verlust, Trauer, PTBS, Tod eines Hauptcharakters, um nur einige zu nennen.
Ich kenne die Argumente gegen TW und CNs – „Spoiler!“, „Habt euch nicht so!“, ich kenne aber auch die Auswirkungen, wenn man unvorbereitet in eine Triggersituation hineinläuft, und auch Marc zeigt uns das in dieser Folge sehr deutlich, was so etwas hervorrufen kann. Ich denke, wir sollten alle die nötige Empathie besitzen, dass wir uns in Menschen in solchen Situationen hineinfühlen können und dass wir alles dafür tun, dass so etwas vermeidbar ist. Nutzt Triggerwarnungen / Content Notes, setzt sie in eure Bücher, Filme und andere Medien.
Hier habe ich noch ausführlicher dazu geschrieben (plus weiterführende Links): Inhaltswarnungen
Da es in dieser Folge vor allem um die Aufarbeitung von Marcs und Stevens Geschichte ging, haben wir gar nicht so viel altägyptischen Hintergrund.
Die vollständige Person
Zum Wiegen des Herzens habe ich im ersten Teil bereits etwas geschrieben: (Link)
Doch warum rastet die Waage ein, als Steven vom Sand eingeschlossen wird? Im alten Ägypten stellte man sich vor, dass eine Person sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt.
Der Körper, der auf dieser Erde wandelt und der im Tod mumifiziert und bewahrt wird.
Der Schatten, der in sich die negativen Eigenschaften einer Person vereinen konnte und sich mit dem Tod auflöst (oder es zumindest sollte – was passiert, wenn das nicht der Fall ist, dazu habe ich eine Kurzgeschichte geschrieben. „Seelenschatten“ bei YouTube oder als pdf)
Der Name, durch den man sich an eine Person erinnert und durch den sie im Jenseits für Gebete und Opfergaben ansprechbar wird.
Der Ka, der in etwa der Lebenskraft entspricht.
Der Ba ist das, was wir am ehesten mit unserer Seelenvorstellung vergleichen können. Im alten Ägypten stellte man sich den Ba als einen Vogel mit Menschenkopf vor. Im Tod löste er sich vom Körper und ging ins Jenseits ein, konnte aber jederzeit ins Diesseits zurückkehren und sein Grab besuchen.

Als Sitz der Seele, des Denkens, des Fühlens stellte man sich das Herz vor. Deswegen wird es auch auf der Waage als Stellvertreter für den Menschen genommen.
Stevens/Marcs Persönlichkeit ist gespalten, er ist nicht eins, und erst als eine dieser zwei Persönlichkeiten das Leben lässt, ist er wieder eine vollständige Person und die Waage kommt ins Gleichgewicht. (Ja, Jake lassen wir hier mal außen vor.)
Das Jenseits
Taweret heißt Steven/Marc mit den Worten willkommen, dies sei nicht das, sondern nur ein Jenseits. Genau so ist es im alten Ägypten, die Vorstellungen vom Jenseits, der Duat sind vielfältig und scheinen sich unserem Verständnis nach auch oftmals zu widersprechen.
Das Jenseits kann im Westen (im Sonnenuntergang) liegen, unter der Erde oder auch im Himmel, wo sich laut den Pyramidentexten die Seele des Königs mit den Sternen vereint.
Um das Jenseits zu erreichen, müssen Prüfungen bestanden und Tore passiert werden. In der Zeit des Mittleren Reiches (~ 2100 bis 1700 v. Chr) finden sich im Inneren von Särgen regelrechte Landkarten, das sogenannte Zwei-Wege-Buch, die zwei Wege in die Unterwelt beschreiben, einer zu Wasser und einer zu Land.

https://www.britishmuseum.org/collection/object/Y_EA30839
Die Iaru-Gefilde (die Binsengefilde) entsprechen in etwa unserer Vorstellung vom Paradies. Dort lebten die Menschen in alle Ewigkeit weiter und wurden in jeder Nacht von der vorbeiziehenden Barke des Sonnengottes besucht.

Die Barke
Dem Glauben der Menschen im alten Ägypten nach trat der Sonnengott jeden Abend mit seiner Barke in die Unterwelt ein. Dort durchfuhr er die 12 Stunden der Nacht, musste gegen Apophis, das personifizierte Böse, kämpfen und konnte nach erfolgreichem Sieg am Morgen wieder auferstehen.
Der Weg der Barke und auch der jenseitigen Landschaft ist im Amduat beschrieben, einem der vielen Jenseitsbücher aus dem alten Ägypten (vollständiges Amduat plus Bilder). Die Barke fährt dabei über den jenseitigen Nil aber auch durch die Wüste.
Im Alexandergrab waren im Hintergrund zahlreiche Darstellungen dieser Barke zu erkennen, und eigentlich ist sie die Barke des Sonnengottes. Dass nun Taweret Fährdienst übernehmen muss, mag daran liegen, dass alle anderen Götter in Stein gebunden sind, denn eigentlich ist es als Göttin der Geburt, der Kinder und der Frauen so gar nicht ihre Aufgabe.
Die Sünder
Ins Iaru-Gefilde gehen die guten Seelen ein, doch was passiert mit denen, die die Wägung des Herzens nicht überstehen, die gesündigt haben. Nun, auch dafür gab es Vorstellungen, doch wurden diese Seelen nicht im Sand eingefroren oder gar von anderen Seelen hinabgezogen, es war viel schlimmer. Sie mussten ewige Qualen in gigantischen Feuerseen oder Brennöfen überstehen. Dies erinnert uns ein wenig an die christlichen Höllenvorstellungen, doch dort dient das Fegefeuer lediglich der Läuterung der sündigen Seelen und man hat zumindest die Chance auf das Himmelreich. Nicht so im alten Ägypten – wer gesündigt hatte, war auf ewig verdammt (Vortrag „Feuersee und Inferno“ vom Ägyptischen Museum München)
Kanopen
Weil sie sowohl in Dr. Harrows Büro stehen, als auch im Klinikraum mit den von Marc getöteten Menschen und auch im Alexandergrab – ein paar Worte zu den Kanopen.
Beim Mumifizierungsprozess wurden Magen, Leber, Lunge und Gedärm entnommen, separat mumifiziert und dann in spezielle Gefäße, die Kanopen, hineingegeben und zur Mumie gestellt. Die verschiedenen Köpfe sind vier Gottheiten, sie Horus-Söhne und sie sind die Schutzgötter der Eingeweide.
Der Falke, Duamutef, schützt den Magen, Amset, der Mensch, die Leber, Hapi, der Pavian, die Lunge und Kebechsenuef, der Schakal, das Gedärm.

Das Herz wurde auch behandelt, kam aber in den Körper zurück, denn es wurde ja noch beim Jenseitsgericht benötigt.
Und nun? Nun warten wir sehnsüchtig auf das Finale! Und wer würde auch gerne den Film „Tomb Buster“ sehen? 🙋♀️
Habt ihr eigentlich schon in unseren neuen Podcast „Mummies & Magic“ reingehört?
Ergänzt: Link zum Twitter-Space zu Folge 5 mit Jonas Lübkert / @AnotherRerun und mir.