Allgemein, Ägyptologie

Tut-Anch-Fail

Am 10.2.2024 war ich in Hamburg und habe mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die immersive Tutanchamun-Ausstellung in den Gaußhöfen anzuschauen.

Neben Hamburg ist sie derzeit auch in Stuttgart und Wien zu sehen.
Der Eintritt kostet zwischen 20 und 27 €, für den Besuch der Ausstellung muss im Vorherein ein Zeitfenster gebucht werden.

Öffentlich ist die Ausstellung in Hamburg sehr gut zu erreichen, die S-Bahn-Station Ottensen ist in unmittelbarer Nähe. Parkplätze gibt es so gut wie nicht.

Um es gleich vorab zu sagen: ich hatte keine hohen Erwartungen an die Ausstellung und selbst die sind noch enttäuscht worden. Ich kann einen Besuch der Ausstellung definitiv nicht empfehlen.

Die Ausstellung besteht aus drei Räumen: der Ausstellungsraum, ein VR-Raum und ein Film-Raum. Dazu gibt es eine sehr kleine Garderobe mit wenig Fächern, Toiletten im Container und einen (überteuerten) Merchandising-Shop. Vor Ort ist ausschließlich Kartenzahlung möglich-

Es wird offen kommuniziert, dass natürlich nicht die Tutanchamun-Originale zu sehen sind, sondern nur Repliken – aber was für schlechte, meine Güte.

Der Ausstellungsraum

Linkerhand beim Hereinkommen steht der große Steinsarkophag, aus Plastik mit einem Flauschüberzug, der wohl den Stein imitieren soll. Voller Freude habe ich mir die Hieroglyphen angeschaut und stutzte das erste Mal. Bei einer Replik erwartet man ja nun eine 1:1 Umsetzung, aber falsch gedacht. Die Hieroglyphen entsprechen nicht dem Original, sie sind halt einfach Fake. Selbst die Kartusche mit dem Königsnamen ist halt … irgendwas. Und es stellte sich heraus, dass es bei allen anderen Repliken – dem Goldsarg, selbst der Goldmaske – ganz genauso war.

Rechts nach dem Eingang findet sich eine Vitrine mit 7 Repliken aus dem Grabschatz des Tutanchamun. Die Auswahl wirkt beliebig, ein Zusammenhang oder eine Einordnung wird nicht gegeben.
Die Beschriftungsschilder sind sehr klein, die hinteren kaum zu lesen. Es finden sich Rechtschreibfehler.
Immerhin sind die Beschriftungen alle in deutsch und englisch.

Hinter der Vitrine kann man im Bild oben noch eine Foto-Booth erkennen, in der man sich selbst in Pharaon*innen verwandeln konnte. Haben wir uns beim Besuch geschenkt. Bietet jetzt auch nicht den wirklichen Mehrwert.

Gegenüber vom Eingang findet sich eine weitere Vitrine mit altägyptischen Originalen, Leihgaben der Galería F. Cervera aus Barcelona.

Die gezeigten Objekte stehen in keinem Zusammenhang mit Tutanchamun, sie sind aus unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlichen Zusammenhängen und es erweckt den Eindruck, man habe sie genommen, weil sie halt gerade da waren. (übrigens: sie sind noch nicht mal schön!) Auch hier erfolgt natürlich wieder keine Einordnung.

Neben nämlicher Vitrine stand nun endlich (in einer Ecke) DIE Goldmaske des Tutanchamun, wohl eines der bekanntesten Objekte aus dem alten Ägypten.

Man ahnt es schon: hier stimmt fast nix. Nicht die Gesichtszüge (viel zu schmal), nicht die Hieroglyphen auf der Rückseite – an die man sowieso kaum rankommt, weil das Stück eben in einer Ecke des Raumes steht.

Hinter dem Goldsarg (mit Plastikmumie und nochmal der Goldmaske) fanden sich an der Wand große Beschriftungstafeln. Einmal zum Grab des Tutanchamun und (natürlich!) zur Mumifizierung und dann 21 Funfacts rund um Tutanchamun und die Grabung und das alte Ägypten.
Auch hier: inhaltliche Fehler und Rechtschreibfehler. Warum manche Infos bei den englischen Übersetzungen weggelassen wurden, erschließt sich nicht.
Die angesprochenen 5.398 Objekte befanden sich natürlich nicht in einer Schatztruhe, sondern an unterschiedlichen Stellen in den Räumen des Grabes.
Es gibt auch nicht nur drei Kanopen, sondern immer vier – die mit dem Menschenkopf (Amset, zuständig für die Leber), wurde hier einfach mal unterschlagen.
Und das sind nur einige Punkte, die ich hier anführe. Das Allerschlimmste ist, dass sich die Ausstellung darauf beruft, dass sie ja von einem Ägyptologen kuratiert wurde. Nacho Ares, wir müssen reden …

Das Layout der Infotafeln war ziemlich gruselig. Ja, es ist nett, wenn man sowas in Kugel- und Pyramidenform machen will, aber diese unterschiedlichen Buchstaben- und Wortabstände, da rollt es mir die Fußnägel hoch.
Form follows function.

Unterhalb der Infotafeln stand noch eine Pultvirtrine, in der Kopien von ein paar Originalzeichnungen von Howard Carter, Kopien von Fotos und Kopien einer Zeitschrift mit Bericht über die Ausgrabung.

Das Griffith Institute in Oxford bietet übrigens umfangreiche Online-Ressourcen und Digitalisate rund um die Ausgrabung.

Das die Hieroglyphendeko unten auf den Tafeln nur Quatsch ist, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen, oder?

Das VR-Erlebnis

In einem zweiten Raum gab es ein „VR-Erlebnis“. Mithilfe einer VR-Brille konnte man sich in der Grabkammer von Tutanchamun und im Grabungscamp von Howard Carter bewegen.

Das hat ziemlich gut funktioniert, auch wenn man mit vielen anderen Leuten im Raum war. Um Zusammenstöße zu vermeiden, wurden diese alle als kleine Carter-Avatare angezeigt. Ich konnte mich sehr gut auf das VR einlassen und fand es ziemlich beeindrucken.

Man startete also zunächst in einer Kammer des Grabes, allerdings war es ziemlich duster und erst wenn man nah an Dinge rangetreten ist, konnte man etwas erkennen. Informationen zum Grab oder zu den Objekten gab es nicht.
Dann verwandelte sich die Umgebung, man stand plötzlich in den Wolken, rundherum bauten sich die altägyptischen Sternbilder auf. Informationen, Einordnung oder ein Warum gab es nicht.
Darauf stand man im Tal der Könige, bzw. lag einem das Tal zu Füßen, einzelne Gräber waren markiert. Es hat etwas gebraucht, bis ich kapiert hatte, dass man die Gräber berühren konnte. Damit erfuhr man allerdings nur die Bezeichnung des Grabes (ich habe ein „Animal Tomb“ und irgendein Privatgrab erwischt). Weitere Informationen gab es nicht.
Ein Sandsturm brachte einen dann in das Grabungscamp von Howard Carter, das eben genauso aussah, wie man sich ein Grabungscamp in den 20er Jahren klassisch vorstellt, mit Zelten und Holztischen. Ob es sich dabei wirklich um DAS Grabungscamp von Carter handelt, erschloss sich mir nicht, denn: weitere Informationen gab es nicht. Im Camp konnte man Sachen berühren. Eine Fotokamera machte Blitz, auf den Schreibtischen konnte man Papiere mit Abbildungen (keine Infos, was zu sehen ist) durcheinanderschieben. Für das Erkunden des Camps blieb nur wenig Zeit und man kam nicht an alles dran, weil viele Menschen unterwegs waren.
Plötzlich öffnete sich unter einem der Boden, man fiel tief, tief in einen Schacht (netter Effekt, Warnung vorher wäre toll gewesen, gerade, wenn man mit VR nicht so kann) und landete wieder im Grab von Tutanchamun. Dort brach die Simulation dann ziemlich unvermittelt ab und man durfte wieder gehen. Zeitdauer geschätzt 5 – 7 Minuten.

Folgendes wird übrigens auf der Homepage der Ausstellung angekündigt:

Screenshot von https://www.tutanchamun-immersiv.de/tut/immersiv

Das versprochene AR-Erlebnis war wohl eher das mit der VR-Brille. Andere AR-Anwendungen waren nicht zu finden. Mit dem interaktiven Erlebnisraum meinen sie vielleicht den Ausstellungsraum? Informationen zu den Hieroglyphen gibt es als einen kurzen Fun-Fact auf der Infotafel. Die Schätze in Originalgröße sind wohl die (schlechten) Repliken. Sorry, aber interaktiv war da nix. Der oben angekündigten VR-Bereich war so thematisch nicht vorhanden. Was man in der VR erlebt, habe ich ja oben beschrieben.

Übrigens: Zehennägel hochrollen 2.0. Es sind die Iaru-Gefilde, liebe Leute, das ist ein großes i! Alle zusammen: I-A-R-U. Nicht Laru. Nein. Never. (und es ist ja nicht so, dass wir sie nicht vom Ägyptischen Museum aus bereits darauf hingewiesen haben …)

Der Film

Im dritten Raum nun gab es den „immersiven Film“, woraus eigentlich alle Bilder stammen, die man in den Vorschauen und auch auf der Homepage der Ausstellung findet.

Er dauert rund 30 Minuten und ist … nunja. Es sind sechs unterschiedliche Themen, jedes mit etwa fünf Minuten Länge- Der Beginn ist super, da gibt es Zeitungsberichte, Bilder und Filmschnipsel von der Ausgrabung, mit Originalstimme Howard-Carter.

Auf der Ausstellungsseite klingt das übrigens so:

Screenshot von https://www.tutanchamun-immersiv.de/tut/immersiv

Nein. Howard Carter begleitet und leitet da sicher nichts. Es ist ein ganz kurzer Filmschnipsel, wo man ihn kurz sprechen hört.
Danach folgt eine Animation der Wanddekorationen aus der Grabkammer Tutanchamuns und es wird geschildert, wie er ins Jenseits gelangt.

Im übrigen wäre auch hier ein Warnhinweis angebracht gewesen – auf dem Boden flitzen kleine (Film-)Geckos umher, und dreimal wird der Raum überschwemmt von Horden von Skarabäen oder Skorpionen mit entsprechendem Raschelgeräusch. Für Menschen mit Insektenphobie sicher nicht so lustig.

Im dritten Teil des Films werden einige Objekte aus dem Grab vorgestellt, der Thron, der Lotoskelch, alles in einer dunklen Umgebung, wo man am Horizont einen erleuchteten Tempel sieht und im Wasser überall lilafarbene leuchtende Lotosblüten schwimmen. Alle, die bereits das Add-On von Assassins Creed gespielt haben, kennen diese Umgebung recht genau.
Jetzt folgt die Schöpfung der Welt durch den Urgott Atum, der zur Enneade von Heliopolis gehört, auch die anderen acht Götter werden vorgestellt. Nebenbemerkung: man weiß inzwischen, dass Tefnut nicht für die Feuchtigkeit, sondern für das Feuer steht, aber an dem Punkt in der Ausstellung war mir sowieso schon fast alles egal. Schließlich wird Tutanchamun himself von Chnum und Heket auf der Töpferscheibe geschaffen und läuft dann als manly man, als der er hier stilisiert wird, bekleidet mit Goldmaske und Goldstiefeln auf die Zuschauenden zu. Bei jedem seiner Schritte bebt der Boden. Ich bin ein wenig gestorben dabei.

Auch die folgende Reise durch das Niltal hatte ziemliche Assassins-Creed-Vibes. Warum aus den Pyramiden Dampf steigt, hat sich mir übrigens nicht erschlossen. Auch nicht, wieso es auf einmal um den Tempel von Abu Simbel ging, der aus der Zeit Ramses‘ II. stammt. Dann wurden noch ein paar Tempelwände koloriert. An dieser Stelle möchte ich dann auch noch Tutanchamun selbst sprechen lassen, oder zumindest die Worte wiedergeben, die ihm in der Ausstellung in den Mund gelegt wurden. Zitat frei aus der Erinnerung: „Sie nannten mich einen Kindkönig, aber ich war auch ein Mann und bin in den Krieg gezogen!“, woraufhin er im Streitwagen einmal um einen herumgaloppiert ist.

Spätestens an dieser Stelle war es bei mir endgültig vorbei und ich hätte mich am liebsten schreiend auf dem Boden gewälzt. Ehrlich. Denn: Nein. Einfach nur nein. Dieses Bild, dass da von Tutanchamun gezeichnet wird, ist so falsch! Ich meine, er ist mit ungefähr 10 Jahren auf den Thron gekommen, bereits mit 18 Jahren gestorben, er war nachweislich nicht gesund, die Regierungsgeschäfte wurden von Eje und Haremhab geführt.

Ja. Ziemlich desillusioniert bin ich also aus der Ausstellung wieder raus. Ich hatte befürchtet, dass es nicht gut wird, aber dass es so schlimm wird, hatte ich auch nicht gedacht. Herzlichen Dank an Tino Falke für die Begleitung und das Ertragen meines Geschimpfes während des Besuches. Seine Bilder halten meine Verzweiflung ziemlich gut fest:

Wenn ihr jetzt doch noch mehr über den wahren Tutanchamun erfahren wollt, dann habe ich noch ein paar Medien-Tipps für euch:

Natürlich haben wir in unserem Podcast „Mummies & Magic“ über Tutanchamun gesprochen.

Aber auch im Ägyptischen Museum München haben wir diverse Infos zu Tutanchamun bereit:

Hier noch ein ausführlicher Vortrag zu Tutanchamun und Howard Carter:

Und ja, natürlich darf der Fluch des Pharao nicht fehlen (tut er aber in der Ausstellung):

Respekt, wenn ihr bis hierher gekommen seid. Ein Wort noch zum Schluss: legt euer Geld lieber sinnvoll in einem Museumsbesuch an, zum Beispiel im Ägyptischen Museum München, dort bekommt ihr nämlich nur leckere Fakten serviert und keinen hochgehypten Tutanchamun.

Wenn ihr noch mehr über das alte Ägypten wissen wollt, dann bucht doch Mummies & Magic für eure persönliche Museumsführung! Auch über sonstige Unterstützung für den Podcast freuen wir uns immer!

Disclaimer: dieser Artikel stellt meine persönliche Meinung dar und nicht die des Ägyptischen Museums München. Ich habe die Ausstellung als Privatperson besucht und mir die Eintrittskarte dafür selbst gekauft.

2 Gedanken zu „Tut-Anch-Fail“

  1. welch ein Glück, ich habe es noch rechtzeitig gehört…

    Roxane hat die Ausstellung noch vor meinem Besuch in Hamburg „getestet“ und mich vor einem schlimmen Erlebnis bewahrt. Danke, dass du die Qual auf dich genommen hast.

    Liebe Grüße Tanja

    Exil-(bayerin) Fränkin in Hessen 😉

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